Freitag, 17. Juli 2015
Singen mit Flüchtlingen bei München
Die Eritreer sind die eifrigsten, sie wollen auch mehr als ein mal im Monat singen, so wie es momentan ist. Sie haben nun schon mehrmals ihre selbstgebauten Instrumente ( erst nach ausdrücklicher Aufforderung!) mitgebracht: eine Krar: https://de.wikipedia.org/wiki/Krar
Ich durfte sie auch schon spielen und man hat mich respektvoll angeguckt, anscheinend habe ich es gut hinbekommen. Gestern habe ich auch das erste mal Kontrabass „gespielt“ es passte genau ein Ton einer leeren Seite vom Kontrabass zu der Krar- Ich stellte einem anderen Eritreer einen Holzstuhl hin und so hatten wir auch Percussion. Alles zusammen war ein runder Klang- das ganze noch mit Gesang- aber nicht von Deutschen.... Das kriegen wir deutsche gar nicht hin- die vielen hibbeligen Töne in engen Abständen sind für mich wuseliges Durcheinander wo ich nicht hinterher komme.
Diesmal waren drei Männer und zwei Kinder dabei: 4. Klasse und eines noch im Kindergartenalter. Mit uns drei Musikern: Geige, Kontrabass und Gitarre und Krar... war es zu acht richtig schön. Langsam wächst auch das Vertrauen, so haben wir auch hinterher noch geratscht und sie haben uns gefragt wohin wir in den Urlaub fahren und dass Bauern in Deutschland auch nicht mit 67 in Rente gehen...
Das ganze erfüllt uns alle- es ist ein respektvoller vorsichtiger Umgang, man schaut sich in die Augen und wir lachen viel und machen mit den Liedern einfach auch mal Quatsch. Einer der Sänger war vor kurzen im Ort Erntehelfer bei einer Kartoffelernte. Da kam mir die verrückte Idee ein Lied, das witziger Weise eh nur einem Wort besteht, einfach mit dem Wort "Kartoffel" zu ersetzen. Danach gab es für die Kinder eine Schokopudding- Strophe und eine "Kindergartenstrophe", wobei jeder mal im Kreis ging und wir Erwachsene uns winzig klein gemacht haben das sah schon komisch aus- besonders als die Kinder sich noch kleiner machten...
Ich schätze auch die Zusammenarbeit von uns Musikern: total flexibel ( siehe Instrumententausch...) und jeder hat eine gute Idee und bringt Lieder ein- Der Mann am Kontrabass ist Lehrer der Musikschule vor Ort und die die Frau an der Gitarre ist ebenfalls erfahren und sehr musikalisch. Keiner von uns macht sich Gedanken um Tonarten- rucki zucki wird es mehrstimmig- Tolle Lieder haben wir, aber dazu nicht wirklich ergiebiges Notenmaterial - Trotzdem: So habe ich noch nie Musik gemacht:-)
Freitag, 27. Juni 2014
Textmuster bei Menschen mit Demenz
Hilflos in einer Denkschleife gefangen. Vor kurzen betreute ich eine Patientin mit Demenz. Man hörte sie schon durch die Tür über den Flur hindurch eine Wortfolge sagen: "Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte ich will heim". Es klang zum Erbarmen- doch es war gerade so viel Arbeit, als dass ich mir hier Zeit nehmen könnte um direkt auf sie einzugehen!???? Sie wiederholte es fortwährend- ohne Ende. Genau das kommt immer wieder vor, in der Nähe von Senioren mit Demenz.
Was kann man da überhaupt bewirken, wenn wenig Zeit ist? Als ich neulich bei ihr am Pateinten-Bett war, hörte sie nicht sofort auf. Was macht man da?? Der erste Reflex ist oft: "Oh, nein - ich möchte am liebsten vorbeigehen". Denn so monotone Texte machen immer etwas mit jedem. Jede Situation ist neu und benötigt völlig andere Werkzeuge. Das ist nicht leicht.
Pflegepersonal, Bertreuungskräfte, Pflegehelfer usw. und Pflegende Angehörige leisten ungeheuerliches! Man bedenke, Angehörige sind da vieleicht noch hilfloser. Sie wohnen im selben Haus. Wir Pflegende oder Betreuende gehen nach der Arbeit.
Ich habe besonders großen Respekt vor dem Einsatz Pflegender Angehöriger! Gut, wenn sie sich Hilfe holen können. Manchmal hilft es, wenn jemand von außen kommt und mit neuen Impulsen Gutes bewirkt. Mit heilsamen Singen hat sich schon einiges bewegen können und manchmal kann es auf neue Art auch zu Hause friedlich(er) werden.
Was kann man tun, wenn ein älterer Mensch in so einer Denkschleife ist?
- sich selber stabilisieren- mich im hier und jetzt fühlen können
- wer stabil ist kann auch geben
- Gut hinschauen- genaues beobachten und wahrnehmen: Was sehe ich, was höre ich, was fühle ich im Raum?
- leidet der Mensch momentan unter einen Umstand, den er selber nicht beheben kann?
- Meine Beobachtung (s.o.) war, dass der Sprechryhthmus scheinbar beruhigend auf die Patientin wirkte, denn ihr Atem war ruhig und der Ton sehr entspannt
- Vielleicht hat derjenige aber auch Schmerzen, oder braucht einfach eine andere Position, oder eine zeitliche/räumliche Orientierung?
- Diese Dinge beheben- vielleicht ist schon durch die körperliche Unterbrechung eine Änderung des Denkmusters da.
- Wenn nicht, erst dann kann man mal ein Lied singen oder summen. Einfach so nebenbei, bei der Pflege oder beim Aufräumen im Zimmer, leise vor sich hin singen.
- Kommt nun die Person ins "jetzt" und ist mit der Aufmerksamkeit "da"? Dann kann er/sie meistens gar nicht mehr weitermachen.
- Wenn das Bewusstsein ganz da ist, kommt ein Blickkontakt ( der oft vorher nicht möglich ist) und hier kann dann ein Impuls vom Pflegenden oder Betreuer kommen.
- Welche Impulse sind hier hilfreich? Wertschätzung, segnende Worte, Gutes sagen, Schönes sehen und drauf hinweisen ( Blumen, schöne Bettwäsche, schönes Bild, schöne Augen der Person...) auf gute Worte hört jeder gern hin.
Ein bekanntes Volkslied singen. In der Situation, die ich erlebt habe, habe ich mit der Patientin ein ihr bekanntes Volkslied gesungen. Sie meinte sie kann es nicht singen. Ich bin nicht drauf eingegangen und habe öfters von vorne angefangen, bis sie tatsächlich mitgesungen hat! Zögerlich -aber es ging.
Ich gab ihr zur Hausaufgabe nun zu üben, bis ich wiederkomme, denn ich würde wieder mit ihr Singen.
Ein Textmuster hat keine Chance, wenn jemand im "Hier" ist. Den ganzen Vormittag, hörte man nicht mehr dieses Textmuster! Oft kommen Muster zum Schichtwechsel wieder, wenn sich etwas ändert am Tagesablauf- Das ist überhaupt nicht verwunderlich und völlig normal. Wichtig ist, dass es einmal eine Erleichterung gab- das ist schon ein Geschenk- für beide.
Was sind Eure Erfahrungen? Schreibt doch kurz einen Kommentar, denn so kann man voneinander Profitieren-
Angela Krüger
Dienstag, 20. Mai 2014
Singen als Potential nutzen
Beim Singen mit Senioren ist es möglich etwas besonderes zu erreichen, was sonst überhaupt nicht "gehen" würde. Stimmt das überhaupt?
Kann man mit aktiven- oder passivem Singen tatsächlich mehr bewegen, als mit anderen Methoden?
Singen ist eine fantastische Möglichkeit unter vielen. Singen ist ist eine Form. Es gibt so viele Möglichkeiten mit Senioren in Kontakt zu kommen. Ich meine hier Senioren, die im besonderen Ansprache brauchen und die auf die gewöhnlichen "Alltagskontakte" nicht mehr adäquat ansprechen, weil sie oft in einer für uns "anderen Welt" leben.
Wichtig ist dabei:
1. Singen als Potential wahrnehmen
2. Singen als Potential fördern
3. Singen als ein Tool unter vielen sehen
4. Singen ist für den anderen und für mich
Wer Singen als Werkzeug mit Senioren für sich entdeckt hat, kann es gar nicht mehr lassen... Wenn ein guter Zeitpunkt ist, wird man es merken. Wichtig ist jedoch, dass Singen immer nur ein "Angebot" an den anderen ist.
Logisch! Nicht jeder alte Mensch mag Singen oder besungen werden. Potential hin oder her- Singen ist etwas vom Herzen. Wenn jemand kein Interesse zeigt, dann lieber sofort lassen. Vielleicht liegt die Herzenssprache "dieser Person" wo anderes. Wenn man jemand besser kennt, kann es einfacher sein, das zu finden was einen Zugang schaffen kann.
Um das jeweilige Potential im Einzelnen kennen zu lernen und sehen zu können, braucht es nicht zwingend viele Sitzungen. Meine Erfahrung ist, dass ein einziges Treffen schon überraschende Wirkungen entfalten kann- Das hat mich schon oft sehr berührt. Dann ist das Singen für den anderen und für mich. Die heilsame Kraft der Musik ist nicht nur für den anderen. Wenn einer singt und heilsam berührt wird, ist das ja sichtbar- die Augen und der Atem verändern sich.
Ich komme noch mal zu der Frage vom Anfang zurück: Meiner Erfahrung nach kann man beim Singen mit Senioren tatsächlich besonderes erreichen. Wenn ein guter Zeitpunkt da ist, kann Singen auf einzigartige Art berühren.
Liebe Grüße A. Krüger
Mittwoch, 14. Mai 2014
Singen, Systemisch gesehen - mit überraschenden Aspekten
Singen aus systemischer Sicht gesehen hat interessante Aspekte:
Singen wirkt, ob ich darauf achte oder nicht. Systemische Wirkungen haben Einfluss, ob ich sie kenne oder nicht. Mir hat es sehr geholfen um die Zusammenhänge zu wissen. Dadurch hat sich mein Wahrnehmungshorizont unglaublich geweitet.
Weitere Infos zur systemischen Methode findet ihr unter anderem hier:
- Beim Singen kann man einen guten Platz bekommen
- Ein Ausgleich zwischen Geben und Nehmen kann fühlbar das Wohlbefinden steigern
- Beobachten und Wahrnehmen bekommt viel Raum und steigert das Bewusstsein für sich und andere- das Leben wird reicher-
- Ressourcen könnten entdeckt und sofort bewusst oder und bewusst aktiv genutzt werden-
Heilsames Singen wird durch diese Elemtente gefördert und intensiviert.
Angelagrüße